LandArt: Wandelzeit Gletscherperformance 2013. Ein Sensibilisierungsprojekt.
Das Land Art-Projekt «Wandelzeit» von 2013 wurde durch meine langjährigen Erfahrungen als SAC Hüttenwartin inspiriert, denn für den Betrieb einer Hütte im Hochgebirge ist Wasser eine der wichtigsten Ressourcen: Allein für das Bewirten der Gäste – Kochen, Abwaschen, Putzen – benötigt man grosse Mengen davon; hinzu kommen die persönlichen Hygienebedürfnisse der BesucherInnen.
Seit ihrer Erstellung im Jahr 1928 wurde in der Cavardiras-Hütte im Bündner Oberland das Schmelzwasser der umliegenden Schneefelder dafür genutzt. Diese natürlichen Vorräte reichten früher bis zum Saisonschluss Ende September. Die schneearmen Winter und die heissen, niederschlagsreichen Sommer, die sich in den letzten Jahre als Folge der Klimaerwärmung etablierten, stellen jedoch die Wasserversorgung vieler hochalpiner Hütten zunehmend in Frage: So ist nun etwa der Schneevorrat bei der Cavardiras-Hütte bereits Mitte August abgetaut und die Wasservorräte sind somit erschöpft.
Doch auch die grossen Gletscher leiden unter der Klimaveränderung und werden deshalb inzwischen (wenigstens partiell und/oder versuchsweise) mittels einer Spezialfolie vor dem Abschmelzen geschützt. Angeregt dadurch wurde zum Schutz des «Schneefeld-Reservoirs» der Cavardiras-Hütte eine ähnliche Massnahme ergriffen: Um das Abschmelzen zu verlangsamen, wurde ein weisses Kunststoffvlies über dieses Schneefeld ausgerollt.
Daraus entstand die Idee für das LandArt-Projekt «Wandelzeit», das für das Abschmelzen der Gletscher und Firne und die damit verbundene Veränderung der Gebirgslandschaften sensibilisieren soll: Anfangs Juli 2013 hat das aus freiwilligen HelferInnen bestehende Wandelzeit-Team auf dem Brunnifirn, an der Grenze zwischen den Kantonen Uri und Graubünden, 1500 m2 Abdeckvlies ausgelegt. Mittels dieser kleinen menschlichen Intervention (Abdecken des mit Schnee bedeckten Firns) und den Kräften der Natur (starker Sonneneinstrahlung während des Sommers) ist innert nur sechs Wochen ein grandioses Kunstwerk entstanden: Während der umliegende Schnee abgeschmolzen ist, ist ein 250 m langer, 6 m breiter und 2 m hoher Gletschertisch stehen geblieben. Die Natur hat sich selber inszeniert.
Dieses von der Natur geschaffene Kunstwerk soll ein Zeichen sein. Und eine Einladung an uns alle, respektvoll und wertschätzend mit der Natur und unseren natürlichen Ressourcen umzugehen. Da es unser Ziel war, mit einem LandArt-Projekt eine visuelle Botschaft über die Einmaligkeit und Vergänglichkeit der Natur sowie über ihre Ästhetik auszusenden, wurde das Projekt von Michael Peuckert fotografisch begleitet sowie in einem mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm von Jan Eric Mack und Aurelio Buchwalder festgehalten. Mit diesen Mitteln wurde es möglich, das hochalpine Werk und seine Botschaft auch in die urbanen Gebiete des Unterlandes zu tragen.
Für die Organisation, Finanzierung und Umsetzung dieses umfangreichen Projektes wurde der gemeinnützige Verein «Wandelzeit» gegründet. Das Kernteam, bestehend aus Manuela Fischer und Ueli Wiesmann (Hüttenwarte / Initianten), Vreni Gubler, Kathrin Huber, Ruedi Lattmann und Thomas Lengenfelder, teilte sich in verschiedenen Projekt-Aufgaben; es wurde bei der Umsetzung von Freiwilligen unterstützt.
Die «Winterthurer» Gletscherperformance «Wandelzeit» in Venedig.
Das visuell wie konzeptionell überzeugende Werk, welches an eine vermehrte Sensibilisierung gegenüber natürlichen Vorgängen und den menschgemachten Eingriffen auf diese appellierte, ist heute genauso aktuell wie 2013: Von der ephemeren Land-Art-Arbeit sind grossformatige Fotografien (Baryt-Prints) sowie ein 19-minütiger Dokumentarfilm, der mehrfach ausgezeichnet wurde, entstanden.
Diese Arbeiten wurden, auf spezielle Einladung von «Art Science Exhibits», Berlin, einer Initiative, welche die Kunst und Wissenschaft konzeptionell miteinander verbindet und als Künstlerkollektiv an der Biennale Venedig 2019 teilnahm, in deren Showroom gezeigt. Das Kollektiv «Art Science Exhibits» hatte für 2019 allesamt Werke versammelt, die sich mit dem menschgemachten Wandel der Natur und der daraus entstehenden Dynamik auseinandersetzten.